Während der 20 Jahre, die ich am Von der Leyen-Gymnasium unterrichte, habe ich fast alle Aufführungen der Theater-AG gesehen und immer wieder bin ich aufs Neue begeistert. Nach der grandiosen Aufführung von „Peter Pan“ des vergangenen Schuljahres habe ich mich gefragt: „Was kommt jetzt?“. Immerhin hatten vier hervorragende Darsteller der Peter-Pan-Besetzung die Schule verlassen. Doch da kann man getrost dem Leitungsteam Silke Schmeiser und Monika Wack vertrauen. Seit rund 25 Jahren zaubern sie in jedem Schuljahr eine Premiere auf die Bühne unserer Schulaula. Ich erinnere mich auch noch an Aufführungen im mittlerweile geschlossenen Schlösschenkeller. Silke Schmeiser hatte die Theater-AG zusammen mit Beate Bamberg von Georg Burkard „geerbt“. Was einst mit der Aufführung der „Physiker“ (noch mit Beate Bamberg) vor 25 Jahren begann, wurde über die Jahre hin mit Stücken wie "Watzmann“, „Biedermann und die Brandstifter“, „Der grüne Kakadu“, „Arsen und Spitzenhäubchen“, “Romulus der Große“, „Lysistrata“, um nur einige zu nennen, fortgesetzt. Als 2020 wegen der der Corona-Pandemie der Lockdown verhängt wurde, konnte die Schauspieltruppe am Morgen der Premiere nur noch die Generalprobe von „Faust postmodern“ zeigen. Doch auch die Pandemie konnte die Theater-AG nicht in die Knie zwingen. Bei der ersten möglichen öffentlichen Schulveranstaltung (mit Test- und Maskenpflicht) luden Silke Schmeiser und Monika Wack zur Premiere von „Top dogs“ ein und erlösten damit die gesamte Schulgemeinschaft aus der „Lockdown-Starre“.
Die Bedingungen für die beiden Regisseurinnen sind nicht einfach. Geprobt wird samstagsmorgens außerhalb der Unterrichtszeit. Eine Aufführung muss vor den Osterferien über die Bühne gegangen sein, weil danach die Aula für die Abiturprüfungen zur Verfügung stehen muss. Es gibt kein finanzielles Budget für Requisiten oder Kostüme. Die technische Ausrüstung der Aula für Beleuchtung und Beschallung geht über eine Grundausstattung nicht hinaus. In jedem Jahr verändert sich die Besetzung der Theater-AG, ein bunt gemischter Haufen aus kleinen und großen Schauspielerinnen und Schauspielern (Klassenstufe fünf bis zwölf), Anfängern und Fortgeschrittenen.
25 Jahre Erfahrung zeigen, wie alle diese Schwierigkeiten gelöst werden. Bereits an der Auswahl des Stückes kann man den Profi erkennen. Mit der Wahl des Lustspiels „Pension Schöller“ (Neubearbeitung von Michael Assies), in dem der Gutsbesitzer Klapproth die Pension aufgrund der Exzentrik ihrer Gäste mit einer Irrenanstalt verwechselt, boten die beiden Regisseurinnen ausgiebige Möglichkeiten für überzogene Charakterdarstellungen. Der nächste Kunstgriff bestand darin, die Rollen dieser verschrobenen Figuren passend mit den kleinen und großen Schauspielerinnen und Schauspielern zu besetzten. Dies ist meiner Ansicht nach hervorragend gelungen, da ich selbst fast alle Mitwirkenden aus dem Unterricht kenne. Laurin Sebening (12) verkörperte überzeugend den einfältig-naiven Gutsbesitzer Klapproth, Frieda Vogt (8b) heftete sich als recherchelüsterne Schriftstellerin Deborah Forell an seine Fersen, als Sängerin „Fräulein Fieseltanz“ versetzte Anton Nehlig (5a) das Publikum mit Tönen über dem dreigestrichenen c ins Staunen, als Dichter Erich Reimerich schmetterte Julian Dietrich (9b) seine Verse heraus und als spielwütiger Schauspieler Eugen Rümpel meisterte Noah Hasselmann (12) gekonnt dessen Sprachfehler, indem er in allen Wörtern den Buchstaben „l“ durch den Buchstaben „n“ ersetzte. Ich könnte die Liste fortsetzen bis zu den beiden Fünftklässlerinnen Carolina Saalfrank und Alexandra Wiebe (5b), welche Klapproths unzertrennliche Töchter Franziska und Frieda mimten. Die Aufgabe der letzteren bestand lediglich darin, die Schlussworte der Sätze ihrer Schwester zu wiederholen, was Alexandra Wiebe mit Inbrunst zelebrierte. Das gesamte Ensemble sorgte mit seinen klug eingesetzten schauspielerischen Talenten für eine Aufführung mit viel Witz und Verve. Das Publikum amüsierte sich prächtig und dankte der Truppe mit großem Applaus.
Für Requisiten und Kostüme ist aufgrund fehlender finanzieller Mittel Minimalismus angesagt. Auch hier erkenne ich über die Jahre hin eine Perfektionierung. Mit nur einem Gegenstand, wie z.B. einem Bild, einem Kronleuchter oder einem bequemen Sessel, gelingt es den Regisseurinnen auf der sonst kahlen Bühne die passende Atmosphäre zu schaffen. Auch Improvisation ist immer wieder gefordert: Das umgedrehte alte Rednerpult der Schulaula wurde beispielsweise als Schrankversteck definiert. Bei den Kostümen reicht oft ein Detail an der Kleidung aus, um das Kolorit einer Stilepoche zu hervorzurufen. Meist wird diese Wirkung durch dekorative Farbkombinationen bei Kleidung und Requisiten unterstrichen. Dazu wird jede Aufführung mit einem von Monika Wack entworfenen Plakat beworben und mit informativen Handzetteln begleitet.
Um 25 Jahre lang eine Theater-AG zu leiten, braucht man immer wieder neu erwachende Kreativität, Durchhaltevermögen und Geduld, auch Enttäuschungen und Ärger müssen überwunden werden. Im Namen der Schulgemeinschaft danke ich Silke Schmeiser und Monika Wack für diesen Einsatz und ihre Theaterleidenschaft. Wir hoffen alle, dass sie unseren Schulalltag noch lange mit Aufführungen bereichern werden. Schließlich bietet die Theater-AG Schülerinnen und Schülern eine Chance, aus dem Unterrichtsalltag auszubrechen und ihre Talente zu zeigen. Wie ich gehört habe, soll sogar das eine oder andere Theater-AG-Mitglied auch nach dem Verlassen der Schule der Schauspielkunst treu geblieben sein...
Susanne Gastauer